Dafür gehen Sie doch nicht nach Bayreuth

Katharina Wagner zu Gast im RWV Frankfurt

Bayreuth immer im Blick: Katharina Wagner im Gespräch mit Dirk Jenders – Foto: Christoph Jenisch

Sie hatte spontan zugesagt, und sie hielt Wort: Katharina Wagner ließ sich weder von einer heftigen Erkältung vor ihrem bevorstehenden Flug nach Japan, wo sie die Wiederaufnahme der Kinderoper-Fassung der „Meistersinger“ begleiten wird, noch von der aufwändigen Vorbereitung für die kommenden Festspiele davon abhalten, den zahlreich erschienenen Mitgliedern des Frankfurter Richard-Wagner-Verbands am 6. März einen „Bayreuther Blickwinkel“ zu vermitteln. Wer die letzten drei Jahre als Festspiel-Chefin meisterte, hat zweifellos ein hohes Maß an Resilienz erworben!

Schon die Corona-Pandemie mit dem Ausfall der Festspiele 2020 war ein harter Einschnitt mit einer enormen Verantwortung für die Veranstalter gewesen. Die Vorbereitungen für den „Ring“ 2022 verlangten dann eine organisatorische Meisterleistung. Gleich vier Dirigenten nacheinander kamen aus unterschiedlichsten Gründen abhanden; als gespielt wurde, mussten Solisten, aber auch Orchestermusiker immer wieder neu besetzt werden, gelegentlich über Nacht. „Am Ende war ich froh und erleichtert, dass alles irgendwie auf die Bühne gebracht wurde,“ so Katharina Wagner. Dass die Einspringer nicht immer für die Rettung von Vorstellungen gefeiert, sondern von Publikum und Kritik gelegentlich heftig kritisiert wurden, tat ihr „unfassbar leid“. „Sänger ausbuhen ist grenzwertig.“ Regie darf ihrer Meinung nach dagegen durchaus Kontroversen auslösen. „Es irritiert mich eher, wenn es mal vom Publikum gar keine Reaktionen gibt.“

Eine herausragende Leistung war es auch, 2022 zusätzlich eine komplette „Tristan“-Inszenierung aus der Taufe zu heben. „Wir wollten noch spielfähig sein, wenn Corona den ganzen Chor lahmlegt.“ Hätte es eine halbszenische Aufführung nicht auch getan? „Dafür gehen Sie doch nicht nach Bayreuth“, beschied Wagner lakonisch.

Herausfordernd auch der Blick nach vorn. Mit dem Einsatz von Augmented Realitiy, erstmals bei der Neuinszenierung des „Parsifal“, verspricht sich Katharina Wagner eine völlig ungewohnte Raumwirkung. Das zielt nicht zwingend auf ein jüngeres oder neues Publikum. „Diese digitalen Formate bieten große Chancen für alle“, ist sie überzeugt. Sogar das Dauerthema Übertitel könnte auf diesem Weg gelöst werden – irgendwann. Aus finanziellen Gründen sind bisher nur 330 Augmented Reality-Brillen verfügbar. Für die anderen Besucher weiß Katharina Wagner Trost. „Jay Scheib hat eine sehr ernsthafte Inszenierung mit tollen Bühnenbildern entwickelt.“

Im übrigen ist sie sicher, dass Wagner-Opern noch lange nicht ausgedeutet und auserzählt sind. Tanz und Licht zum Beispiel bieten ihrer Meinung nach als neue ästhetischer Ansätze große Chancen. Eine klare Absage erteilt Katharina Wagner der Idee, alte Aufführungen vom Grünen Hügel zu rekonstruieren. Und sie ist überzeugt, dass die Festspiele weiblicher und jünger werden. Mit Nathalie Stutzmann wird die zweite Dirigentin am Hügel debütieren; zudem hat Wagner noch die ein oder andere Wunschkandidatin am Pult in petto. Und sie hat einen Wunsch an „ihr“ Publikum. Es soll so bleiben, wie es ist: bestens vorbereitet, wissend und intellektuell. „Damit werden Produktionen ermöglicht, die woanders gar nicht denkbar sind.“

Festspielchefin mit Temperament und Leidenschaft: Katharina Wagner – Foto: Christoph Jenisch