Die aus Bayreuth Verstoßene

Meiningen nimmt Wagners „Die Feen“ erstmals ins Programm

Staatstheater Meiningen – Foto: RWV Frankfurt

Richard Wagner hat seine erste vollendete Oper nie auf der Bühne erlebt; anders die 36 Reisenden des RWV Frankfurt, die am 1. Oktober eine Aufführung der „Feen“ im Staatstheater Meiningen besuchten. „Die Feen“ ist das erste der drei Jugendwerke, denen der Komponist die Adelung einer Aufnahme in den Bayreuther Kanon verweigerte. Dabei steckt in dieser romantischen Oper vieles drin, was das Musikleben des frühen 19. Jahrhunderts dominierte und den damals 19-jährigen Wagner beeinflusste – und es ist vieles darin angelegt, was in seinen späteren Werken zur Vollendung kam.

Eine interessante Bereicherung der Anreise erfolgte durch das junge Frankfurter RWV-Mitglied Vincent König, der über seine Bachelorarbeit zu dieser Oper an der Universität Bayreuth berichtete. Darin untersucht er auch die Entwicklung der Singstimme im frühen 19. Jahrhundert vom Belcanto hin zum dramatischen Gesang und den Einfluss, den dies auf Wagners Kompositionsstil ausübte. Für den jungen Komponisten war dabei die Begegnung mit Wilhelmine Schröder-Devrient, in Dresden damals die Primadonna assoluta, besonders prägend. „Sie hatte gar keine Stimme, aber sie wußte so schön mit ihrem Atem umzugehen“, schreibt Wagner später über die berühmte Sängerin, die in ihren Opernrollen auch Sprechen und Deklamieren bis hin zum Schreien einsetzte. „Die zweite Fassung der Ada-Arie in den „Feen“ ist ganz wesentlich unter dem Einfluss von Schröder-Devrient entstanden“, weiß Vincent König. „Zu spüren ist dieser Einfluss auch in der Anlage der späteren Rollen von Senta, Isolde und Venus.“ Intime Kenner von Wagners Werk werden zudem in seinen späteren Opern, etwa in „Tannhäuser“, „Lohengrin“, oder „Holländer“ zahlreiche „Feen“-Zitate entdecken.

36 Frankfurter Gäste saßen auf besten Plätzen im 1. Rang – Foto: RWV Frankfurt

Auch andersherum wird ein Schuh daraus, wie bei der höchst unterhaltsamen und informativen Einführungsveranstaltung durch Dramaturgin Julia Terwald und Generalmusikdirektor Killian Farrell im Meininger Opernhaus deutlich wurde. Als Wagner die „Feen“ schrieb, war er „Choreinstudierer“ an der Würzburger Oper. Was dort auf dem Spielplan stand – Mozart, Beethoven, Rossini, Meyerbeer, Weber – kann man auch in den „Feen“ zitiert finden, so Killian Farrell. „Spritzig-pfiffige Passagen aus der „Zauberflöte“ sind in den Figuren von Drolla und Gernot zu hören, klare Bezüge gibt es zwischen der Leonoren-Arie aus „Fidelio“ und Adas „Feen“-Arie. Der noch nicht 30-jährige Meininger GMD beließ es nicht beim Reden, er setzte sich ans Klavier und begleitete sich singend zu den einschlägigen Ausschnitten, um dann nur 15 Minuten vor Vorstellungsbeginn in den Graben zu enteilen.

Die Oper selbst: ein reichlich überladener Stoff, den die Regie in eine Nervenklinik verlegte. Gekürzt um etwa 60 Minuten dauerte die Aufführung mit einer Pause immer noch länger als drei Stunden. Die schönen Stimmen der Meininger Produktion, der hervorragend geführte Chor samt der Meininger Hofkapelle ließen diesen „schweren Fall von Romantik“ dennoch zu einem starken Plädoyer für Wagners Erstling werden, wie Peter Jungblut vom Bayerischen Rundfunk befand. Seine Besprechung finden Sie > hier.
Weitere Vorstellungen: 7.10. / 5.11. / 12.11.2023 und 08.02.2024.

Ensemble, Chor und GMD Killian Farrell (6. von links) beim Schlussapplaus – Foto: RWV Frankfurt

Die Wagner-Freunde aus Frankfurt machten sich jedenfalls in bester Stimmung auf den Rückweg. Vom Vorsitzenden organisierte Käsebrezeln, begleitet von Apfelschorle, Sekt, Bier oder Wasser, sorgten dafür, dass der Bus ohne Halt nach Frankfurt durchfahren konnte. Nach dem Aussteigen hörte man dann den begeisterten Applaus zur „Figaro“-Premiere und zur Feier der neuesten Würdigungen der Oper Frankfurt aus dessen Lautsprechern: zum siebten Mal Opernhaus des Jahres, zum zweiten Mal Opernchor des Jahres, zudem Sieger in den Kategorien Wiederentdeckung (Die ersten Menschen) und Uraufführung des Jahres (Blühen). Die Frankfurter Neuproduktion von Wagners „Tannhäuser“ folgt Ende April 2024 und darin können die Teilnehmenden der Meininger Opernfahrt die „Feen“-Zitate wiederentdecken.