Richard Wagner hat es nicht ins Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt am Main geschafft, obwohl die Musikwissenschaftlerin und Kuratorin Dr. Ulrike Kienzle sich nachdrücklich für ihn eingesetzt hatte. Schließlich kann man sich Wagner ohne den Einfluss der Romantik kaum vorstellen. Aber von Wagners Hinterlassenschaften ist eben nichts beim Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt gelandet. Und diese frühe Bildungsinstitution bespielt das 2021 eröffnete Haus ausschließlich mit Original-Stücken aus ihrer geradezu unglaublichen Sammlung von Exponaten aus dieser Zeit, allerdings vorzugsweise literarischen Charakters.

Kuratorin Dr. Ulrike Kienzle (2. von rechts) dechiffriert den Novalis-Text auf der Himmelsleiter im Deutschen Romantik-Museum – Foto: RWV Frankfurt
Wie gut Wagner in die Umgebung gepasst hätte, zeigten mehrere Führungen Kienzles für die Mitglieder unseres Verbands. An anschaulichen Beispielen erklärte sie in einem kurzen Einführungsvortrag, wie sich diese Epoche der großen Gefühle als Gegenbewegung zur von Rationalität geprägten Aufklärung, unter dem Einfluss der Freiheitsgedanken der französischen Revolution, aber auch als Ergebnis der Umbrüche in Deutschland im Gefolge der napoleonischen Kriege entwickelte. Überhaupt wären die Romantiker ohne ihre Zeit und die Umbrüche an der Grenze zum 19. Jahrhundert nicht zu denken. Romantisches Denken ist keine Flucht, keine Verklärung oder Verdrängung, sondern eine klare Analyse der Zeit- und Lebensumstände.
Wer Frau Kienzle aus ihren vielen und leidenschaftlichen Vorträgen kennt, weiß, dass sie in Vergangenem immer wieder die Relevanz für die Gegenwart sucht und erkennt, und auch hier macht sie eindrücklich deutlich: „Romantik ist keine vergangene Epoche, Romantik ist keine Flucht, nicht das Candleligth Dinner, die schöne Stimmung. Romantik ist eine Geisteshaltung, die wir heute für die Fragen unserer Zeit dringender brauchen denn je.“

Architektonisches Juwel: Die Himmelsleiter im Deutschen Romantik-Museum Frankfurt – Foto: RWV Frankfurt
Im Rahmen der Führung ging es nun durch den spektakulären Neubau des schmalen, fast fensterlosen Museumsgebäudes vom Frankfurter Architekten Christoph Mäckler, direkt neben dem Goethehaus am Großen Hirschgraben. Über die blaue „Himmelsleiter“ gelangt der Besucher in die einzelnen Stockwerke. Zunächst in die umfangreiche Gemäldesammlung, die auch Exponate der „schwarzen Romantik“ zeigt. Mit der Ausstellung der Gitarre Marianne von Willemers wird darauf verwiesen, dass die Literaten der Epoche allesamt auch Musikanten waren. Es folgt die Etage der Dichter und Philosophen, aufgeteilt auf kleine Kabinette, manche je nach Blickwinkel idyllisch oder bedrohlich wirkend. Handschriften, viele davon lichtgeschützt platziert in Schubladen und aufklappbaren Pulten, Hör- und Leseproben, Bilder und Alltagsgegenstände sind zu bewundern.

Faustisches Ambiente: Dr. Ulrike Kienzle (Mitte) und Robert Schumanns Szenen aus Goethes Faust – Foto: RWV Frankfurt
Im von Dr. Ulrike Kienzle kuratierten Obergeschoss haben die Musiker der Romantik ihren Platz gefunden: Schubert zum Beispiel mit einer visuell aufgearbeiteten Winterreise mit Julian Prégardien oder Robert Schumann, von dem Besucher an digitalisierten Kompositionsseiten die Entstehung eines Werks und die Korrekturen des Komponisten verfolgen können. Stolz der Sammlung sind hier die 2018 spektakulär ersteigerten Entwürfe Schumanns zu seinen Szenen aus Goethes Faust, die im Romantikmuseum erstmals der Öffentlichkeit gezeigt werden können.
Eine interessante Erweiterung erfährt der Begriff der Romantik in der Musik durch ein Zitat E.T.A. Hoffmanns. Der Novellist, selbst Komponist und vor allem wirkmächtiger Musikkritiker, sah in Beethovens 5. Sinfonie bereits „den Purpurschimmer der Romantik“ aufscheinen. Und an seiner präzisen Kritik wird deutlich: „Romantik ist ganz scharfe Analyse“. Aber auch andere Klassiker, wie Mozart oder Haydn, sind für ihn Wegbereiter dieser Musikepoche. So verspricht das Romantik-Museum eine Fülle neuer Entdeckungen, die mit einem einzigen Besuch bei weitem nicht erschlossen werden können.