Wüsste Lohengrin, wie komplex sich lettische Verordnungen für Bauwesen im Generellen und Denkmalschutz im Besonderen gestalten, er würde wohl kaum die Düna (Daugava) herunterschwimmen, um wunderwirkend einzugreifen. Vielmehr bliebe er auf seiner Burg Monsalvat und ginge dort seinen zaubermächtigen Geschäften nach. So bleibt es visionären Menschen vorbehalten, in Riga Theatergeschichte zu schreiben. Was der ständige Vertreter der Deutschen Botschaft in Lettland, David Bartels, bei der feierlichen Grundsteinlegung zur Sanierung des dortigen Wagner Theaters so humorvoll formulierte, trifft auf Māris Gailis und Zaiga Gaile zu. Er, ehemaliger Ministerpräsident Lettlands, aktiver Bauunternehmer, Kunstmäzen sowie Vorsitzender des RWV Riga und sie, eine der führenden Architektinnen des Landes, lassen die Renaissance des ehemaligen Deutschen Theaters von 1782 Wirklichkeit werden.
Die Grundsteinlegung am Vortag von Richard Wagners 210. Geburtstag beendete die dreijährige Vorbereitungsphase, in der es gelang, wichtige Partner für die Projektentwicklungsförderung zu gewinnen: die EU, die Bundesrepublik Deutschland und natürlich den lettischen Staat. Rund 25 Millionen Euro sind bereits bewilligt und gestiftet. Nun beginnt die 1. Bauphase, in der die Substanz gesichert, bauliche Eingriffe der jüngeren Geschichte zurückgenommen und die Voraussetzungen für die Ausstattung als Theater geschaffen werden. Das Haus soll ab 2026 als „GesamtkunstWerk21“ bespielt werden. Geplant sind Meisterklassen, Schauspiel- und kleinere Opernproduktionen, Stipendienprogramme für junge Künstlerinnen und Künstler sowie ein Wagner-Museum mit Café. Zudem wird das Theater als Treffpunkt für Wagner-Fans aus aller Welt dienen und kann natürlich auch für private Events gemietet werden. Māris Gailis hat einen ausgeklügelten Businessplan und es besteht bei diesem Allroundgenie kein Zweifel, dass der Plan aufgeht. Bis dahin wird es seine Aufgabe sein, weitere institutionelle Partner, Stiftungen und Privatpersonen zu gewinnen, die die zusätzlichen finanziellen Mittel bereitstellen.
Zu den dreitägigen Feierlichkeiten anlässlich der Grundsteinlegung reiste eine illustre Gästeschar nach Riga, darunter Mitglieder der RWV Berlin-Brandenburg, Minden und Frankfurt (die für das Projekt bereits spendeten), die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Alexander Graf Lambsdorff (FDP, künftiger Botschafter Deutschlands in Moskau) und Bettina Hagedorn (SPD, Mitglied im Haushaltsausschuss). Die perfekten Gastgeber Māris Gailis, seine Frau Zaiga Gaile, Signe Viška (Assistentin von Māris Gailis) und Konrad Winckler (Projektleiter der deutschen Agentur Alexis) taten alles, um den Besuchern einen unvergesslichen Aufenthalt zu bereiten.
Zum Auftakt fand eine Führung durch das Rigaer Schloss statt, dem Dienstsitz des lettischen Staatspräsidenten Egils Levits. Am Abend des ersten Tages lud das Ehepaar Gailis zum entspannten BBQ in ihr Haus am Düna-Fluss.

Garten-BBQ: Konrad Winckler erläutert Alexander Graf Lambsdorff, Bettina Hagedorn (beide MdB) und Frankfurter Mitgliedern das Theater-Modell – Foto: Dirk Jenders
Der zweite Tag startete mit einer ausführlichen Besichtigung des 5.000 qm umfassenden Wagner Theaters in der Riharda Vāgnera iela. Während man in den Salons und im glasdachgekrönten Innenhof einen guten Eindruck von dem gewinnen konnte, wie es einmal aussehen wird, benötigte man für den eigentlichen Theatersaal viel Fantasie. Zu brutal wurde das Haus in der jüngeren Geschichte entstellt und z.B. Zwischendecken für Ballettprobenräume eingezogen. Imposant auch der Gedanke, dass der Zuschauersaal mit Orchestergraben bis zu sieben Meter unter die Erde reicht und das gesamte Fundament daher eine aufwändige Grundwassersperre benötigt. Trotz der unübersehbaren Risse und Putzschäden konnte man sich davon überzeugen, dass die Gebäudesubstanz alle Voraussetzungen erfüllt, um im Wortsinne darauf aufzubauen.
In ihrem Büro präsentierte Zaiga Gaile nicht nur die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen am Modell des Wagner Theaters, sondern vermittelte den Gästen auch ihre grundsätzliche Philosophie einer nachhaltigen, CO2-reduzierten, naturverbundenen Architektur, in der Menschen gerne leben und arbeiten. Für zahlreiche kreative Theater, Büro- und Wohngebäude zeichnet sie verantwortlich und wurde dafür mit Preisen bedacht. Besonders eindrucksvoll geriet der anschließende Besuch der > Janis Lipke-Gedenkstätte, eines von Zaiga Gaile ganz aus Holz konzipierten Erinnerungsortes in Riga. In der Nazi-Zeit rettete Janis Lipke zusammen mit seiner Frau Johanna viele Juden vor dem sicheren Tod, in dem er sie zunächst in einem ausgehobenen Erdbunker unter einer Holzhütte versteckte. Nach und nach verhalf er ihnen dann zur Flucht außer Landes. Ein dunkler, klaustrophobischer Raum, der mittels einer großen Öffnung in der Mitte den Blick in einen tiefliegenden, spartanischen Erdbunker gewährte, genügte der Architektin, um Lipkes‘ Mut und Nächstenliebe räumlich begreifbar zu machen.
Der Tag klang mit Tschaikowskys Pique Dame in der Nationaloper von Riga aus.
Am dritten Tag stand der eigentliche Reiseanlass im Mittelpunkt: die Grundsteinlegung zur Renovierung des Wagner Theaters. Der lettische Staatspräsident Egils Levits, zugleich einer der Schirmherren des Projektes, sagte in seiner Rede: „Wenn dieses Haus fertiggestellt ist, wird es zu einem Kulturmagnet für Riga werden.“ Alle Festredner erinnerten an Wagners Rigaer Kapellmeisterzeit von 1837 bis 1839, in der er am Rienzi arbeitete und mit dem > Frachtsegelschiff Thetis spektakulär vor seinen Gläubigern von Pillau nach London flüchtete (ein Modell der Thetis wird dereinst im Theaterfoyer ausgestellt sein). Zudem wurde an die architektonischen Elemente des versteckten Orchestergrabens und des ansteigenden Saales erinnert, die Wagner später für sein Bayreuther Festspielhaus adaptierte. Es wurde hervorgehoben, dass mit dem Wagner Theater in Riga neben Tribschen bei Luzern, der Villa Wahnfried in Bayreuth und dem Palazzo Vendramin in Venedig ein weiterer authentischer Wagner-Ort entsteht.

Staatspräsident Egils Levits verbringt die Zeitkapsel in die Theaterfassade – Foto: Christoph Jenisch
Mit der Einmauerung einer Zeitkapsel in die Gebäudefassade wurde die symbolhafte Grundsteinlegung vollzogen. Anschließend konzertierten Ensemblemitglieder der > Kremerata Baltica im Wagner-Saal des Theaters und spielten u.a. das Siegfried-Idyll. Das von Gidon Kremer geleitete Orchester wird im renovierten Haus eine dauerhafte Probe- und Spielstätte finden.
Nach dem Konzert dankte Präsident Egils Levits dem RWV-Vorsitzenden Dirk Jenders für die finanzielle wie ideelle Unterstützung aus Frankfurt. Damit werde ein starkes und solidarisches Zeichen der deutschen Wagner-Freunde zum Ausdruck gebracht. Bereits zuvor erhielt Dirk Jenders von Māris Gailis ein Stück Originalparkett des Rigaer Stadttheaters „auf dem Richard Wagner 1838 stand“ als Dankeschön an die Frankfurter Mitglieder für geleistete Spenden der Jahre 2021/2022. Mit einem Champagner-Empfang am frühen Abend – abermals im Haus des Gastgeberpaares – endete das offizielle Programm in der lettischen Hauptstadt.

Lettlands Staatspräsident Egils Levits (links) bedankt sich bei Dirk Jenders für die Unterstützung aus Frankfurt – Foto: Christoph Jenisch
2026, wenn alles planmäßig läuft, wird das Wagner Theater seiner Bestimmung übergeben. Wir werden natürlich dabei sein und möglicherweise schwimmt dann auch Lohengrin in einem Nachen auf der Düna heran, um sich von menschengemachter Theatergeschichte zu überzeugen.
Der RWV Frankfurt wird die Renaissance des Wagner Theaters in Riga auch weiterhin nach Kräften unterstützen. Wenn Ihnen die Realisierung des fortschreitenden Projektes am Herzen liegt, bitten wir Sie um eine zweckgebundene Spende an:
- Richard-Wagner-Verband Frankfurt
- DE06 5005 0201 0000 4364 36
- Verwendungszweck: Wagner Theater Riga
Jeder Betrag ist herzlich willkommen und selbstverständlich steuerlich absetzbar.