Richard Wagner und das Weibliche – Vortrag von Paul Simon Kranz

Empathisches, vorurteilsfrei sachliches Herangehen und eindrückliche Präsentation in Wort, Ton und Bild von Paul Simon Kranz – Foto: André Weißbach
Richard Wagner war Chauvinist und trotzdem einer der Wegbereiter der Frauenemanzipation: zu diesem bemerkenswerten Fazit kommt Paul Simon Kranz, Publikationsstipendiat 2021 unseres Verbands und Autor des Buchs „Richard Wagner und das Weibliche“. In seinem Vortrag im Anschluss an die Mitgliederversammlung hat er die höchst unterschiedlichen Facetten von Wagners Persönlichkeit und Denken dazu mit Text- und Musikbeispielen vor den Zuhörern ausgebreitet.
Frauen waren immer wichtig für Wagner. „Er war abhängig von ihnen, er übte zugleich Macht über sie und einen Zauber auf sie aus – und er genoss das auch“, erklärte Kranz. Aufgewachsen war Wagner in einer Zeit mit sehr hierarchischer Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen; geprägt wurde er vor allem durch Mutter und Schwestern. Was das Weibliche betraf, wollte der hochgebildete Wagner aber schon früh seine eigene Philosophie entwickeln. Und das Thema ließ ihn nicht mehr los. In seinen letzten Lebensjahren und bis zu seiner Todesstunde arbeitete er an seinem Spätwerk „Über das Weibliche im Menschlichen“.
Liebe galt Richard Wagner als wichtigstes Bedürfnis des Menschen, die Liebe zwischen Mann und Frau als „Entäußerung des Egoismus“. „Ein Weib, das gar nicht liebt, ist die unwürdigste und widerwärtigste Erscheinung der Welt“, kann man in seinen Schriften lesen. Beispielhafte zeigte Kranz das an der Musik zur bösartigen Ortrud -„die die Liebe nicht kennt“. Originaltext Wagner: „Wir kennen keine grausameren Erscheinungen als politische Frauen. Sie scheitern kläglich.“ Da ist er, der Chauvinist. Die „naive“ Elsa im Lohengrin wird dagegen mit wohlklingenden Tönen charakterisiert. Die unterschiedliche Rollenzuteilung dokumentierte Kranz auch am Beispiel Holländer mit dem handfesten Chor der Seeleute im Gegensatz zum verspielten Lied der Spinnerinnen.
Wagners Ansprüche an seine Partnerinnen waren nicht eben bescheiden, wie Kranz ausführte. Er erwartete von ihnen „gleiche Wellenlänge“, er forderte wahre Liebe, „ein Aufgehen im Gegenüber“, im geistigen Bereich Idealismus und bedingungslose Unterstützung, genauso aber die Beherrschung praktischer Funktionen – Kochen, Haushalten, Organisieren. Zusammengenommen ergibt sich aus dieser Vielzahl unterschiedlichster, auch intellektueller Anforderungen eine klare Aufwertung der Frauen.
Seine erste Partnerin Minna, die vor Wagner bereits selbst Karriere gemacht hatte, litt unter diesem Anspruch, der einherging mit einer elenden finanziellen Situation. Die 24 Jahre jüngere Cosima dagegen hatte einen gesucht, „dem sie ihr Leben zu Füßen legen konnte“, so Kranz. Bei ihr fand Wagner die bedingungslose Hingabe, die natürlich auch zu einer gegenseitigen Abhängigkeit führte. Womit Cosima womöglich seiner lebenslänglichen Sehnsucht nach weiblicher Erlösung gerecht wurde.
Wer jetzt Interesse hat an Paul Simon Kranz’ Buch „Richard Wagner und das Weibliche“, erschienen als Band 4 unserer Reihe „Frankfurter Wagner Kontexte“, kann es zum Preis von 44 € im Online-Handel oder direkt beim > Tectum Verlag beziehen.