Erneute 10.000 €-Spende für Riga

Einblicke in die Baustelle

Auch die zweite Spendenaktion des RWV Frankfurt zu Gunsten der Renaissance des Wagner Theaters Riga war ein grandioser Erfolg. Dank der sich beteiligenden Mitglieder konnte die Erstspende von 2021 wiederholt und vor wenigen Tagen abermals 10.000 € an die Richard Wagner Gesellschaft Riga überwiesen werden.

Dieser fortgesetzte kulturelle Brückenbau zwischen Frankfurt und der lettischen Hauptstadt ist nicht nur Ausdruck der Verbundenheit unter Wagner-Fans, sondern auch gelebte Solidarität in herausfordernden Zeiten.

Nach Jahren der vorbereitenden Projektarbeit mit Einholung von Gutachten, Gewerke-Ausschreibungen, Analysen von Kostenvoranschlägen und Fördermittelbeantragungen wird nun gehämmert, gebohrt, werden Wände und Decken eingerissen und an anderer Stelle wieder aufgebaut. Im Theater wird also gearbeitet und es beginnt eine neue, sehr konkrete wie spannende Phase. Mit jedem Tag kann beobachtet werden, wie eine Vision Wirklichkeit wird.

Wagner Theater Riga

Mit Freude sieht der RWV Frankfurt dem baulichen Projektfortschritt und damit der Wiedereröffnung dieses authentischen Wagner-Ortes in Riga entgegen.

alle Fotos im Beitrag: Richard Wagner Gesellschaft Riga

Jenseit des Tweed

Die Usher Hall – das Konzerthaus in Edinburgh / Foto: RWV Frankfurt

Ende August 2023 reiste eine kleine Gruppe von Mitgliedern des RWV Frankfurt nach Schottland mit Edinburgh als Ziel und Ausgangspunkt für das vielseitige Rahmenprogramm. Im Mittelpunkt des Besuchs stand das Edinburgh International Festival, das traditionell drei Wochen im August gefeiert wird. Die angereisten Wagner-Fans freute besonders, dass der Bayreuther Meister im Festival-Programm prominent vertreten war. 

Schottland sollte sich in jeder Hinsicht von der prachtvollsten Seite präsentieren. Seine stolze wie wechselvolle Geschichte zog die Teilnehmenden genauso in den Bann, wie einst Theodor Fontane, der das Land 1858 bereiste und seine Eindrücke in „Jenseit des Tweed“ verewigte.

Zum ausführlichen Reisebericht des RWV Frankfurt geht es > hier

Die aus Bayreuth Verstoßene

Meiningen nimmt Wagners „Die Feen“ erstmals ins Programm

Staatstheater Meiningen – Foto: RWV Frankfurt

Richard Wagner hat seine erste vollendete Oper nie auf der Bühne erlebt; anders die 36 Reisenden des RWV Frankfurt, die am 1. Oktober eine Aufführung der „Feen“ im Staatstheater Meiningen besuchten. „Die Feen“ ist das erste der drei Jugendwerke, denen der Komponist die Adelung einer Aufnahme in den Bayreuther Kanon verweigerte. Dabei steckt in dieser romantischen Oper vieles drin, was das Musikleben des frühen 19. Jahrhunderts dominierte und den damals 19-jährigen Wagner beeinflusste – und es ist vieles darin angelegt, was in seinen späteren Werken zur Vollendung kam.

Eine interessante Bereicherung der Anreise erfolgte durch das junge Frankfurter RWV-Mitglied Vincent König, der über seine Bachelorarbeit zu dieser Oper an der Universität Bayreuth berichtete. Darin untersucht er auch die Entwicklung der Singstimme im frühen 19. Jahrhundert vom Belcanto hin zum dramatischen Gesang und den Einfluss, den dies auf Wagners Kompositionsstil ausübte. Für den jungen Komponisten war dabei die Begegnung mit Wilhelmine Schröder-Devrient, in Dresden damals die Primadonna assoluta, besonders prägend. „Sie hatte gar keine Stimme, aber sie wußte so schön mit ihrem Atem umzugehen“, schreibt Wagner später über die berühmte Sängerin, die in ihren Opernrollen auch Sprechen und Deklamieren bis hin zum Schreien einsetzte. „Die zweite Fassung der Ada-Arie in den „Feen“ ist ganz wesentlich unter dem Einfluss von Schröder-Devrient entstanden“, weiß Vincent König. „Zu spüren ist dieser Einfluss auch in der Anlage der späteren Rollen von Senta, Isolde und Venus.“ Intime Kenner von Wagners Werk werden zudem in seinen späteren Opern, etwa in „Tannhäuser“, „Lohengrin“, oder „Holländer“ zahlreiche „Feen“-Zitate entdecken.

36 Frankfurter Gäste saßen auf besten Plätzen im 1. Rang – Foto: RWV Frankfurt

Auch andersherum wird ein Schuh daraus, wie bei der höchst unterhaltsamen und informativen Einführungsveranstaltung durch Dramaturgin Julia Terwald und Generalmusikdirektor Killian Farrell im Meininger Opernhaus deutlich wurde. Als Wagner die „Feen“ schrieb, war er „Choreinstudierer“ an der Würzburger Oper. Was dort auf dem Spielplan stand – Mozart, Beethoven, Rossini, Meyerbeer, Weber – kann man auch in den „Feen“ zitiert finden, so Killian Farrell. „Spritzig-pfiffige Passagen aus der „Zauberflöte“ sind in den Figuren von Drolla und Gernot zu hören, klare Bezüge gibt es zwischen der Leonoren-Arie aus „Fidelio“ und Adas „Feen“-Arie. Der noch nicht 30-jährige Meininger GMD beließ es nicht beim Reden, er setzte sich ans Klavier und begleitete sich singend zu den einschlägigen Ausschnitten, um dann nur 15 Minuten vor Vorstellungsbeginn in den Graben zu enteilen.

Die Oper selbst: ein reichlich überladener Stoff, den die Regie in eine Nervenklinik verlegte. Gekürzt um etwa 60 Minuten dauerte die Aufführung mit einer Pause immer noch länger als drei Stunden. Die schönen Stimmen der Meininger Produktion, der hervorragend geführte Chor samt der Meininger Hofkapelle ließen diesen „schweren Fall von Romantik“ dennoch zu einem starken Plädoyer für Wagners Erstling werden, wie Peter Jungblut vom Bayerischen Rundfunk befand. Seine Besprechung finden Sie > hier.
Weitere Vorstellungen: 7.10. / 5.11. / 12.11.2023 und 08.02.2024.

Ensemble, Chor und GMD Killian Farrell (6. von links) beim Schlussapplaus – Foto: RWV Frankfurt

Die Wagner-Freunde aus Frankfurt machten sich jedenfalls in bester Stimmung auf den Rückweg. Vom Vorsitzenden organisierte Käsebrezeln, begleitet von Apfelschorle, Sekt, Bier oder Wasser, sorgten dafür, dass der Bus ohne Halt nach Frankfurt durchfahren konnte. Nach dem Aussteigen hörte man dann den begeisterten Applaus zur „Figaro“-Premiere und zur Feier der neuesten Würdigungen der Oper Frankfurt aus dessen Lautsprechern: zum siebten Mal Opernhaus des Jahres, zum zweiten Mal Opernchor des Jahres, zudem Sieger in den Kategorien Wiederentdeckung (Die ersten Menschen) und Uraufführung des Jahres (Blühen). Die Frankfurter Neuproduktion von Wagners „Tannhäuser“ folgt Ende April 2024 und darin können die Teilnehmenden der Meininger Opernfahrt die „Feen“-Zitate wiederentdecken.   

Wenig Kohle, geile Akustik

Bayreuth-Stipendiaten berichten vom Grünen Hügel

Die 11 diesjährigen Bayreuth-Stipendiaten des RWV Frankfurt fanden die gewiss kürzeste Formel für Werden und Wirkung des Festspielhauses. Weil auch damals das Geld knapp war, habe es auf dem Hügel nur zu einer „Scheune aus Holz“ gereicht, so ihr Befund. Aber diese Scheune hat es eben in sich. Die unglaubliche Akustik des Festspielhauses zog den künstlerischen Nachwuchs genauso in den Bann wie Millionen von Besuchern seit 1876.

In der Villa der Deutsch-Italienischen-Vereinigung berichten die Stipendiaten aus Bayreuth – Foto: RWV Frankfurt

Es wurde ein ausgesprochen lebendiger und vergnüglicher Abend, an dem die jungen Talente rund 40 Mitglieder mit einer Foto & Video-Collage an ihren fünf Bayreuther Tagen im August teilhaben ließen. Da waren natürlich die Höhepunkte, die Aufführungen von Holländer, Parsifal und Tannhäuser, aber eben auch die vielen Extras im Programm. Den einen hatten die alten Partituren und Wagners riesige Bibliothek im Haus Wahnfried fasziniert, den anderen die dort ausgestellten, atemberaubend schönen Kostüme sowie der Mut, die Venus bereits in den eher prüden 50er Jahren in einen „Hauch von Nichts“ zu hüllen. Sie haben das Markgräfliche Opernhaus und die barocke Schlosskirche bewundert. Mit spürbarer Ehrfurcht saßen die künftigen Dirigenten unter ihnen auf dem Dirigentenstuhl im verdeckten Orchestergraben, „ein Möbelstück mit großer Historie“, das schon Toscanini und all die anderen Großen des Fachs genutzt hatten.

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Wagner-Glück im 6-Bett-Zimmer

Die Stipendiaten-Tage in Bayreuth sind alljährlich ein großes Gemeinschaftserlebnis. Das fängt schon bei der Jugendherberge an, wo eine Zimmerbelegung mit sechs Personen eher Standard denn Ausnahme ist. Da wird für die Sicherstellung der Nachtruhe dann gerne noch präventiv eine Packung Ohropax in der Apotheke besorgt.

Vom 13. bis 18. August reisten also 250 junge Talente aus den weltweiten Richard-Wagner-Verbänden nach Bayreuth und die Richard-Wagner-Stipendienstiftung unter der Regie von Stephanie Kollmer präsentierte auch in diesem Jahr ein attraktives Programm. Eröffnet wurde es traditionell mit dem informellen Fränkischen Abend. Bei Würstchen, Steak, Wein und Bier aus der Region gab’s ein großes Hallo unter den Stipendiaten. Manche kennen sich von Meisterkursen, Musikprojekten bzw. ersten Engagements und waren erfreut, sich in Bayreuth wieder zu begegnen.

Kennenlernen der Stipendiaten beim Fränkischen Abend am 13.08.2023 in der Jugendherberge Bayreuth – Foto: RWV Frankfurt

Beim offiziellen Begrüßungsempfang vor der Villa Wahnfried am Morgen von Tag 1 ließen die jungen Gäste bei Kaiserwetter und der besonderen Aura des Ortes diverse Reden geduldig über sich ergehen. Als Oksana Lyniv die Stipendiaten aus der Ukraine begrüßte, wurde auf eindrucksvolle Weise deutlich, wie verbindend, wie wertvoll Kunst und Kultur in Zeiten, wie diesen, ist. In ihrem – wiederholt von Emotionen überwältigten – Grußwort erinnerte die Holländer-Dirigentin an den barbarischen Krieg in ihrem Heimatland. Sie beklagte, dass Gewalt und Tod auch von Söldnern mit der Bezeichnung „Wagner“ ausgingen, obgleich Wagners Parsifal von Mitmenschlichkeit und Pazifismus handele. Für einige Minuten war das Weltgeschehen ganz nah und eine große Solidarität unter den Anwesenden zu spüren. Nach dem abendlichen Besuch des Fliegenden Holländers waren die Frankfurter und Leipziger Stipendiaten zum gemeinsamen Essen in die Lohmühle eingeladen – seit 2008 ebenfalls eine schöne Tradition der beiden Partnerverbände.   

Begrüßungsempfang für die 250 Stipendiaten der weltweiten Richard-Wagner-Verbände am 14.08.2023 in Wahnfried – Foto: RWV Frankfurt

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Reise zum Ring in Erl 07-2024

Passionsspielhaus und Festspielhaus in Erl – Foto: meinbezirk.at

Bei den Tiroler Festspielen Erl schloss sich diesen Sommer Brigitte Fassbaenders Deutung von Wagners Ring des Nibelungen. Im Juli 2024 wird die komplette Tetralogie dort zweimal aufgeführt. Der RWV Frankfurt bietet seinen Mitgliedern vom 3. bis 11. Juli 2024 eine Festspielreise nach Tirol an – Eröffnungskonzert und 1. Ring-Zyklus inklusive und dies alles auf besten Plätzen.

Im Begleitprogramm wird es Erkundungen in Wattens (Kristallwelten), Innsbruck und Kufstein geben, wo auch Quartier im 4-Sterne-Hotel bezogen wird. Eine Tagesfahrt führt in das Karwendel- und Rofangebirge rund um den Achensee sowie auf die Gramai Alm. Auch kulinarisch wird sich die Tiroler Küche von ihrer besten Seite zeigen. In Innsbruck ist eine Begegnung mit den Freunden des RWV Innsbruck-Bozen geplant. Für die Frankfurter Gäste organisieren sie eine Präsentation der ältesten spielbaren Renaissance-Orgel der Welt in der Hofkirche. 

Reiseinformationen, Leistungen & Preise  > hier
Anmeldeformular mit Reise-/Stornobedingungen > hier

Die Bott Touristik Frankfurt nimmt Reiseanmeldungen der Mitglieder des RWV Frankfurt und ihrer Gäste bis zum 30. Oktober entgegen.

nachgehört bei hr2-kultur

Der Vorsitzende des RWV Frankfurt, Dirk Jenders, und der junge Bassbariton Tim-Lukas Reuter (HfMDK Frankfurt) wirkten am 22. Juli 2023 in Musikland Hessen von hr2-kultur mit.

Anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Bayreuther Festspiele unterhielt sich Moderatorin Christiane Hillebrand mit Dirk Jenders über seine Erfahrungen auf dem  Grünen Hügel und über das Bayreuth-Stipendienprogramm, mit dem die internationalen Richard-Wagner-Verbände junge Bühnenschaffende fördern.

In der Sendung kommt zudem Tim-Lukas Reuter zu Wort, der in diesem Jahr einer der elf Bayreuth-Stipendiaten des RWV Frankfurt ist. Er erzählt Ursula Böhmer, was das Stipendium rund um Richard Wagner und Bayreuth für ihn persönlich bedeutet.

Nachzuhören sind die Beiträge im > Medienspiegel des RWV Frankfurt.

Philosophie, Passion, Projektion

Richard Wagner und das Weibliche – Vortrag von Paul Simon Kranz

Empathisches, vorurteilsfrei sachliches Herangehen und eindrückliche Präsentation in Wort, Ton und Bild von Paul Simon Kranz – Foto: André Weißbach

Richard Wagner war Chauvinist und trotzdem einer der Wegbereiter der Frauenemanzipation: zu diesem bemerkenswerten Fazit kommt Paul Simon Kranz, Publikationsstipendiat 2021 unseres Verbands und Autor des Buchs „Richard Wagner und das Weibliche“. In seinem Vortrag im Anschluss an die Mitgliederversammlung hat er die höchst unterschiedlichen Facetten von Wagners Persönlichkeit und Denken dazu mit Text- und Musikbeispielen vor den Zuhörern ausgebreitet.

Frauen waren immer wichtig für Wagner. „Er war abhängig von ihnen, er übte zugleich Macht über sie und einen Zauber auf sie aus – und er genoss das auch“, erklärte Kranz. Aufgewachsen war Wagner in einer Zeit mit sehr hierarchischer Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen; geprägt wurde er vor allem durch Mutter und Schwestern. Was das Weibliche betraf, wollte der hochgebildete Wagner aber schon früh seine eigene Philosophie entwickeln. Und das Thema ließ ihn nicht mehr los. In seinen letzten Lebensjahren und bis zu seiner Todesstunde arbeitete er an seinem Spätwerk „Über das Weibliche im Menschlichen“.

Foto: Dirk Jenders

Liebe galt Richard Wagner als wichtigstes Bedürfnis des Menschen, die Liebe zwischen Mann und Frau als „Entäußerung des Egoismus“. „Ein Weib, das gar nicht liebt, ist die unwürdigste und widerwärtigste Erscheinung der Welt“, kann man in seinen Schriften lesen. Beispielhafte zeigte Kranz das an der Musik zur bösartigen Ortrud -„die die Liebe nicht kennt“. Originaltext Wagner: „Wir kennen keine grausameren Erscheinungen als politische Frauen. Sie scheitern kläglich.“ Da ist er, der Chauvinist. Die „naive“ Elsa im Lohengrin wird dagegen mit wohlklingenden Tönen charakterisiert. Die unterschiedliche Rollenzuteilung dokumentierte Kranz auch am Beispiel Holländer mit dem handfesten Chor der Seeleute im Gegensatz zum verspielten Lied der Spinnerinnen.

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Der Chor in der Rolle des Evangelisten

Le vin herbé an der Oper Frankfurt: exklusive Einführung für den RWV Frankfurt 

Gastgeber des Abends und Dramaturg der Produktion: Zsolt Horpácsy (links) informiert über Werk und Inszenierung – Foto: Dirk Jenders

„Diese Oper ist kein Gegenprogramm zu Wagners Tristan und Isolde, sondern eine Alternative dazu; eine schlichte Erzählung über die Unbeständigkeit des Lebens.“ So charakterisiert Dramaturg Zsolt Horpácsy Le vin herbé von Frank Martin (1890 – 1974); ein Werk, das dieser vor über 80 Jahren für den Züricher Madrigalchor geschrieben hat. Der „phantastische Außenseiterkomponist“ (Horpácsy), der Richard Wagner bewunderte, hat damit eine hörens- und sehenswerte zweite Sicht auf den Stoff auch für Wagner-erfahrene Operngänger geschaffen. Dass seine Zeitgenossen ihn als konservativ bis reaktionär einstuften, interessierte Frank Martin nicht; er sah sich selbst zwischen Avantgarde und moderner Klassik.

Dem Chor kommt in diesem Weltlichen Oratorium die Rolle des Evangelisten zu. „Der Madrigalchor damals muss toll gewesen sein“, begeistert sich Tilman Michael, Chorleiter der Oper Frankfurt. Jedes der zwölf Mitglieder bekam seine eigene Stimme. „Es ist eine wunderbar zarte, zerbrechliche und intensive Musik, auskomponiert mit spürbarer Freude an der französischen Sprache.“

Chorleiter Tilmann Michael (rechts) berichtet u.a. über die logistischen Herausforderungen dieser Produktion an den Chor – Foto: RWV Frankfurt

In Frankfurt wurde das Chorensemble auf 24 Mitglieder verdoppelt, ergänzt durch acht Gesangssolisten. Begleitet wird es in Martins Originalorchestrierung von sieben Streichern und Klavier. Die Musik ist komplett anders als die Wagners. Das in 18 Bilder unterteilte Stück unterscheidet sich auch inhaltlich vom Werk des Bayreuther Meisters. Im zugrunde liegenden Roman von Joseph Bédier soll eine zweite Isolde – Iseut, die Weißhändige – Tristan nach der Trennung von seiner geliebten blonden Iseut zur Seite stehen; letztlich zerstört die Weißhändige ihn (und die andere) durch hasserfüllte Eifersucht.

Die Bühne erinnert in der Frankfurter Inszenierung, passend zum Charakter des Oratoriums, an ein überdimensioniertes Altarbild: 32 Boxen sind in Viererreihen übereinander gestapelt, die oberen Ebenen für Sänger mit Höhenangst durchaus eine Herausforderung, wie Tilmann Michael berichtet. Jede Figur hat ein eigenes Leben in ihrer Box, aus der sie hervortritt und ihre Geschichte erzählt, es gibt keine Berührungen und nahezu keine Interaktionen zwischen den Protagonisten. Das verstärkt die Anmutung von Einsamkeit, die den handelnden Personen, anhaftet.

Die strikte Trennung der Akteure hat auch mit dem Termin der ursprünglich angesetzten Frankfurter Premiere zu tun. Sie musste nicht nur dem Komponisten und dem Werk gerecht werden, sondern auch den damals geltenden Corona-Vorschriften. Geholfen hat das nicht, wie wir wissen. Die Produktion musste nach der Generalprobe vom Spielplan genommen werden. Mit der Bezeichnung Frankfurter szenische Erstaufführung hat man nun den formal passenden Titel gefunden – nicht Premiere, nicht Wiederaufnahme. So setzt Le vin herbé einen letzten Höhepunkt in dieser Frankfurter Spielzeit. Der Einführungsabend mit Zsolt Horpácsy und Tilman Michael auf der Probebühne 2 war für unsere Mitglieder der exklusive Vorspann zu den fünf, mit Spannung erwarteten Vorstellungen am 7./10./14. und 16. (15:30 und 19:30 Uhr) Juli.

Intime Workshop-Atmosphäre auf der Probebühne 2 der Oper Frankfurt – Foto: Dirk Jenders

Kulturmagnet für Riga

Wüsste Lohengrin, wie komplex sich lettische Verordnungen für Bauwesen im Generellen und Denkmalschutz im Besonderen gestalten, er würde wohl kaum die Düna (Daugava) herunterschwimmen, um wunderwirkend einzugreifen. Vielmehr bliebe er auf seiner Burg Monsalvat und ginge dort seinen zaubermächtigen Geschäften nach. So bleibt es visionären Menschen vorbehalten, in Riga Theatergeschichte zu schreiben. Was der ständige Vertreter der Deutschen Botschaft in Lettland, David Bartels, bei der feierlichen Grundsteinlegung zur Sanierung des dortigen Wagner Theaters so humorvoll formulierte, trifft auf Māris Gailis und Zaiga Gaile zu. Er, ehemaliger Ministerpräsident Lettlands, aktiver Bauunternehmer, Kunstmäzen sowie Vorsitzender des RWV Riga und sie, eine der führenden Architektinnen des Landes, lassen die Renaissance des ehemaligen Deutschen Theaters von 1782 Wirklichkeit werden.

Festlich geschmückte Fassade zur Grundsteinlegung am 21. Mai 2023 – Foto: Jānis Deinats

Die Grundsteinlegung am Vortag von Richard Wagners 210. Geburtstag beendete die dreijährige Vorbereitungsphase, in der es gelang, wichtige Partner für die Projektentwicklungsförderung zu gewinnen: die EU, die Bundesrepublik Deutschland und natürlich den lettischen Staat. Rund 25 Millionen Euro sind bereits bewilligt und gestiftet. Nun beginnt die 1. Bauphase, in der die Substanz gesichert, bauliche Eingriffe der jüngeren Geschichte zurückgenommen und die Voraussetzungen für die Ausstattung als Theater geschaffen werden. Das Haus soll ab 2026 als „GesamtkunstWerk21“ bespielt werden. Geplant sind Meisterklassen, Schauspiel- und kleinere Opernproduktionen, Stipendienprogramme für junge Künstlerinnen und Künstler sowie ein Wagner-Museum mit Café. Zudem wird das Theater als Treffpunkt für Wagner-Fans aus aller Welt dienen und kann natürlich auch für private Events gemietet werden. Māris Gailis hat einen ausgeklügelten Businessplan und es besteht bei diesem Allroundgenie kein Zweifel, dass der Plan aufgeht. Bis dahin wird es seine Aufgabe sein, weitere institutionelle Partner, Stiftungen und Privatpersonen zu gewinnen, die die zusätzlichen finanziellen Mittel bereitstellen.

Wagner-Büste im historischen Theaterfoyer – Foto: Christoph Jenisch

Zu den dreitägigen Feierlichkeiten anlässlich der Grundsteinlegung reiste eine illustre Gästeschar nach Riga, darunter Mitglieder der RWV Berlin-Brandenburg, Minden und Frankfurt (die für das Projekt bereits spendeten), die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Alexander Graf Lambsdorff (FDP, künftiger Botschafter Deutschlands in Moskau) und Bettina Hagedorn (SPD, Mitglied im Haushaltsausschuss). Die perfekten Gastgeber Māris Gailis, seine Frau Zaiga Gaile, Signe Viška (Assistentin von Māris Gailis) und Konrad Winckler (Projektleiter der deutschen Agentur Alexis) taten alles, um den Besuchern einen unvergesslichen Aufenthalt zu bereiten.

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