Text: Hannelore Schmid, André Weißbach
Rund 30.000 Juden lebten vor 1933 in Frankfurt; 150 waren es zum Kriegsende. Frankfurt war zuvor die Stadt mit dem zweithöchsten jüdischen Bevölkerungsanteil in Deutschland gewesen. Die Entwicklung der bürgerlichen Stadtgesellschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde hier stark von jüdischem Leben geprägt. Ob es um das Opernhaus, um Wirtschaftsunternehmen, Banken, Zeitungen, Wohlfahrtseinrichtungen, Krankenhäuser und vieles anderes ging: Überall spielten jüdische Unternehmer, Künstler und Intellektuelle eine herausragende Rolle. Eindrucksvoll erfahrbar wird das im Jüdischen Museum Frankfurt. 45 Mitglieder folgten jetzt der Einladung des RWV Frankfurt zum Besuch dieses Hauses mit Führungen zu den Highlights der Sammlung.
Zwei in Aluminium gegossene Bäume von Ariel Schlesinger vor dem Museum – Foto: Dirk Jenders
Das Jüdische Museum wurde bereits 1988 im prächtigen Rothschild-Palais am Mainkai eröffnet. Nach einer Umgestaltung mit einem spektakulären Erweiterungsbau, fertiggestellt 2020, zählt es nun „zu den tollsten Museen in einer an Museen reichen Stadt“, wie sich eine unserer Guides begeisterte. Eine Aluminiumskulptur von Ariel Schlesinger empfängt die Besucher vor dem Eingangsbereich, zwei kopfüber in den Kronen verschränkte Bäume. Der untere scheint über dem Boden zu schweben, die Wurzeln des oberen weisen in den Himmel. Sie können als Metapher auf die Geschichte der Frankfurter Juden gelesen werden: Verbundenheit und Entwurzelung.
Das Museum zeigt 200 von insgesamt 700 Jahren jüdischer Geschichte in Frankfurt. In dem stark gesicherten Bau – er steht wie alle jüdischen Einrichtungen unter ständigem Polizeischutz – beginnen die Führungen im obersten Stockwerk. In einer Videoinstallation berichten deutsche Juden über ihren Alltag heute. An zahlreichen Objekten erfährt man, wie sich das Leben jüdischer Bürger seit der Aufhebung des Ghettos Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte.
Historische Objekte und Kunstwerke werden ergänzt durch Medieninszenierungen, Hörbeispiele, Slide Shows, Filme und Fotografien mit zahlreichen Aufforderungen zur Interaktion. Drei Räume sind der bildenden Kunst gewidmet, mit beeindruckenden Gemälden Moritz Daniel Oppenheims. Als erster akademisch gebildeter jüdischer Maler integrierte er jüdische Themen in die Kunst; er wurde auch zum Hauptmaler der Familie Rothschild.
Moses mit den Gesetzestafeln von Moritz Daniel Oppenheim – Foto: Dirk Jenders
Das zweite Obergeschoss macht mit dem Wandel jüdischer Traditionen in der Moderne vertraut. „Judentum ist keine Religion, sondern eine Art zu leben“, erklärt unsere Guide. „Und jüdisches Leben ist Gegenwart, kein Museum.“ Die vielfältigen Ausprägungen zwischen strenger Orthodoxie und liberalem Judentum zeigt eine interaktive Videoinstallation mit fünf Rabbinern, in der sie ihre durchaus unterschiedlichen Auffassungen zu Glaubens- und Lebensformen erläutern. Sakralobjekte und -Gewänder, wertvolle Thorarollen und Ritualgegenstände machen die Sinnlichkeit der jüdischen Zeremonialkultur erlebbar.
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