Thomas Guggeis über Klang und Ritual in Wagners „Parsifal“

Text: Sven Wehser

In seinem kurzweiligen Vortrag mit dem Titel „Zum Raum wird hier die Zeit – Klang und Ritual in Richard Wagners PARSIFAL“ bot Thomas Guggeis eine ebenso spannende, kenntnisreiche und nachdenklich stimmende Annäherung an Wagners letztes Musikdrama. Der Generalmusikdirektor der Oper Frankfurt, der sich mit tiefem musikalischen Verständnis und intellektueller Neugier längst einen Namen gemacht hat, spannte dabei den Bogen von kompositorischen Feinheiten bis hin zu ideologiekritischen Überlegungen. Sein Musikvortrag fand am 9. Mai im Rahmen des Parsifal-Schwerpunkts im Frühjahrsprogramm des RWV Frankfurt statt und war von Beginn bis zum Schluss fesselnd und sehr nahbar.

GMD Thomas Guggeis am 9. Mai 2025 im Dr. Hoch’s Konservatorium – Foto: Christoph Jenisch

Im Zentrum seiner Ausführungen stand die Frage, wie Wagner in Parsifal Zeit in Klang verwandelt – und damit eine neue, fast rituelle Form musikalischer Erzählung schafft. Bereits das Vorspiel offenbare, so Guggeis, diese Ambition: Synkopen, fließende Übergänge, rhythmische Komplexität und das allmähliche Verschwimmen musikalischer Grenzen. Das Werk sei durchzogen von einer „Verunklarung“ von Strukturen, Motiven, ja selbst der Tonalität. Es bestünden bis zu vier übereinanderliegende Klangebenen, die sich dem analytischen Zugriff des Hörers entzögen – eine Entindividualisierung des Klangs, unterstützt durch den berühmten Orchestergraben in Bayreuth, der den Ton in einen „Klangstrom“ verwandle.

Foto: Christoph Jenisch

Spannend war auch Guggeis’ Analyse der Leitmotivstruktur: Während im Rheingold noch 25–35 Motive verwendet werden, sei Parsifal mit deutlich reduzierter Motivik komponiert. Das Liebesmahlmotiv, das Schmerzmotiv, das aufstrebende Speermotiv, das Grals- und das Glaubensmotiv erscheinen in ritualisierten Zusammenhängen, oft in schlichter, liedartiger Struktur.

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meet & greet bei „Parsifal“

Text: Dirk Jenders

Bei den Parsifal-Aufführungen der Oper Frankfurt wird sich der RWV Frankfurt im Mai und Juni jeweils eine Stunde vor Beginn der Vorstellung sowie in den Pausen mit seinem Infostand präsentieren. Mitglieder und Gäste sind im 1. Rang-Foyer herzlich zum meet & greet eingeladen.

Die Termine:
Samstag, 24. Mai
Donnerstag (Christi Himmelfahrt), 29. Mai
Sonntag, 1. Juni
Samstag, 7. Juni
Pfingstmontag, 9. Juni
Samstag, 14. Juni
Donnerstag (Fronleichnam), 19. Juni

Unsere Mitglieder haben gewählt

Text: Dirk Jenders

Die Mitgliederversammlung des RWV Frankfurt wählt den Vereinsvorstand und Rechnungsprüfer satzungsgemäß alle fünf Jahre. Am 31. März 2025 war es wieder soweit und diesmal lag in den Wahlen sogar eine gewisse „Dynamik“. Die bisherige Schriftführerin Hannelore Schmid und die Rechnungsprüferin Heike Lüters verzichteten aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur, zudem wurde der Vorstand für die kommende Amtsperiode um ein beratendes Mitglied – und damit von fünf auf sechs Personen – erweitert. Insofern waren drei Funktionen neu zu besetzen.

Hier das Ergebnis der Vorstandswahlen 2025:
Vorsitzender: Dirk Jenders (letztmalige Wiederwahl)
Stellvertretender Vorsitzender: Johannes Baron (Erstwahl)
Schriftführer: Sven Wehser (Erstwahl)
Beratender Vorstand / Schatzmeister: André Weißbach (Wiederwahl)
Beratender Vorstand / Stipendiatenbeauftragte: Rose Wießler (letztmalige Wiederwahl)
Beratender Vorstand / Buchreihe FWK: Prof. Dr. Sven Hartung (Wiederwahl)

Der Vorstand – oben (links nach rechts): Dirk Jenders / Johannes Baron / Sven Wehser / unten (links nach rechts): André Weißbach / Rose Wießler / Prof. Dr. Sven Hartung (Fotos: privat)

Zur neuen Rechnungsprüferin wurde Esther Pirie gewählt.

Rechnungsprüferin Esther Pirie (Foto: privat)

Erkennst du deine große Schuld?

Text: Prof. Dr. Sven Hartung

Am 18. Mai 2025 wird sich in der Oper Frankfurt der Vorhang für die mit Spannung erwartete Neuinszenierung des Parsifal von Regisseurin Brigitte Fassbaender heben. Zum Auftakt eines Parsifal-Schwerpunktes im RWV Frankfurt hielt unser Mitglied, die bekannte Musikwissenschaftlerin Dr. Ulrike Kienzle, am 10. März 2025 einen Vortrag mit dem Titel „Durch Mitleid wissend: Die Philosophie der Erlösung in Wagners Parsifal“.

Frau Kienzle ist nicht nur eine ausgewiesene Wagner-Spezialistin, sondern hat eine ganz besondere Beziehung zum Parsifal. Für sie, aus einem – wie sie sagte – nicht sehr musikalischen Elternhaus kommend, sei diese Musik im Alter von etwa 14 Jahren die Initiation in die Musik gewesen. Damals sei „der Vorhang des Lebens aufgegangen“. Nicht überraschend schrieb sie dann auch ihre Magisterarbeit über Schopenhauers Einfluss auf Wagner.

Referentin Dr. Ulrike Kienzle – Foto: Christoph Jenisch

Mit ihrer profunden Kenntnis des Werks konnte Frau Kienzle auch hartgesottenen Wagner-Freunden, zu denen sich nicht wenige der etwa 50 Anwesenden im Dr. Hoch’s Konservatorium zählen durften, noch neue Erkenntnisse nahebringen.

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Die DNB – das Gedächtnis der Nation

Frankfurt am Main und Leipzig beherbergen mit der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) und ihrer „Sammlung für die Ewigkeit“ einen sagenhaften Schatz an Medienwerken. Die über 40 Mitglieder des RWV Frankfurt, die Mitte Februar an einer privaten Führung durch die DNB teilnahmen, wussten natürlich um die Existenz dieser bedeutenden Institution. Aber waren ihnen die Dimension der Sammlung, ihre Geschichte und die ganz praktische Funktionsweise bekannt? Nach zwei überaus informativen Stunden verließen die Besucher das Haus nachhaltig begeistert und beeindruckt.

Die DNB an der Frankfurter Adickesallee – Foto: Christoph Jenisch

1913 in Leipzig als Deutsche Bücherei gegründet, wurden die Verlage in Deutschland ab 1935 gesetzlich verpflichtet, je eine Ausgabe aller Neuerscheinungen des nationalen Schrifttums an die Archivbibliothek zu liefern. Erste Ideen für eine solche Bibliothek gab es schon 1843. In Frankfurt am Main wurde 1946 mit der Deutschen Bibliothek ein westdeutsches Pendant zum parallel weiterbestehenden Leipziger Standort gegründet. Zunächst befand sich die Frankfurter Bibliothek, dessen Sammlungsbeginn auf den 8. Mai 1945 festgelegt wurde, im Rothschild-Palais, dem heutigen Jüdischen Museum. 1959 erfolgte der Umzug in die Zeppelinallee und 1997 konnte der Neubau in der Adickesallee bezogen werden.

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Zwei starke Frauen zum Jahresauftakt

Text: André Weißbach

Im ersten Jour Fixe des neuen Jahres standen gleich zwei starke Frauen im Mittelpunkt des Interesses der zahlreich erschienenen Mitglieder: Cosima Wagner und > Sabine Zurmühl. Denn Sabine Zurmühl ist eine ganz starke Frau. Sie engagierte sich früh in der Frauenbewegung, gründete in den 1970er Jahren die Zeitschrift Courage mit und setzte sich als Autorin, Publizistin und Mediatorin in einer dominanten Männergesellschaft durch. Als Opernkritikerin berichtete sie u.a. für die taz von den Bayreuther Festspielen.

Sabine Zurmühl liest aus „Cosima Wagner. Ein widersprüchliches Leben“ – Foto: Christoph Jenisch

Dass die Geschichte der Bayreuther Festspiele auch eine Geschichte starker Frauen ist, ist sogar unseren Bayreuth-Stipendiaten aufgefallen, die uns dazu vor einiger Zeit mit einem Impulsvortrag bereicherten. Die einflussreichste Frau auf dem Grünen Hügel war ganz sicher Cosima Wagner, der sich Sabine Zurmühl in ihrem 2022 erschienenen Buch Cosima Wagner – Ein widersprüchliches Leben annäherte. Und das in 33 Skizzen oder – wie die Biografin es nennt – in „Punkten der Aufmerksamkeit“, aus denen sie im Jour Fixe auszugsweise vorlas und ein viel differenzierteres Cosima-Bild vermittelt.

Die zweite Ehefrau Richard Wagners war sehr lange die „rechte Hand“ des Komponisten und übernahm nach dessen Tod für über 20 Jahre die Leitung der Bayreuther Festspiele. Sie war es, die den Familienbetrieb organisatorisch und finanziell stabilisierte. Ja, dank des weltweiten Erfolges der Werke Richard Wagners und der Bayreuther Festspiele wurde Cosima sogar zu einer der wohlhabendsten Frauen im Lande. Doch trotz alledem landet man am Ende stets in einer der vielen Klischee-Schubladen: Cosima – die sich unterwerfend Liebende, die konservative, starrsinnige und ewig gestrige „Gralshüterin“, die Antisemitin und Rassistin, die tagebuchführende Managerin und Festspielleiterin, Mutter von fünf Kindern (davon drei von Richard Wagner).

Sabine Zurmühl sind diese Klischees „zu negativ; so einseitig und verbiestert kann das alles nicht gewesen sein“. Auch der Bezug allein auf ihre Ehemänner Hans von Bülow und Richard Wagner ist ihr zu kurz gegriffen, da Cosima ihr Leben schließlich die meiste Zeit ohne die beiden verbrachte – immerhin wurde sie 92 Jahre alt und überlebte Richard um fast 50 Jahre.

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Das war 2024

  • über 22.000 Euro für die Förderung des künstlerischen Nachwuchses, u.a. elf Bayreuth-Stipendien und ein Deutschlandstipendium
  • elf Veranstaltungen mit wunderbaren Gästen, darunter der Frankfurter GMD Thomas Guggeis und Gießens GMD Andreas Schüller
  • Reisen zu den Tiroler Festspielen Erl und nach Neapel
  • ein erneutes Mitglieder-Plus

… das sind die Highlights des vergangenen Jahres im RWV Frankfurt.

Den vollständigen Jahresbericht 2024 kurz & kompakt finden Sie > hier

Wagners Weihnachtsbriefe 1834 – 1882

Text: André Weißbach

Dr. Frank Piontek liest aus Wagners Weihnachtsbriefen – Foto: Christoph Jenisch

Manchmal sind technische Pannen bei Veranstaltungen echte Showstopper. Nicht so beim diesjährigen Event im Advent des RWV Frankfurt. Der aus Bayreuth angereiste Gastreferent Dr. Frank Piontek kennt Vita, Werk und Umfeld Richard Wagners aus dem Effeff und ließ sich von technischen Unzulänglichkeiten nicht beeindrucken. Statt seines geplanten und umfangreich bebilderten Vortrages über Bayreuther Wagner-Dokumente der Jahre 1872 bis 1882, schwenkte er spontan und überaus passend auf ein weihnachtliches Thema um. So kamen die Besucher im adventlich geschmückten Saal des Dr. Hoch’s Konservatoriums in den Genuss einer so wohl einmaligen, improvisierten und sehr vergnüglichen Lesung ausgewählter Briefe, die Wagner von 1834 bis 1882 an Weihnachten verfasste. 

Der Einstieg mit dem an Heiligabend 1877 aufgeführten Liedes > Willkommen in Wahnfried (im Youtube-Video auf die Wagner-Stätte Graupa umgedichtet) machte zwei Dinge deutlich: dass das Weihnachtsfest auch in der Familie Wagner zelebriert wurde, sobald Kinder da waren und größer wurden. Und dass es neben den gewaltigen Standardwerken noch vieles zu entdecken und es noch lange keine abschließende Gesamtausgabe wirklich sämtlicher Wagner-Werke gibt, wie Frank Piontek flehend bemerkte („Sie müssen sich für eine Gesamtausgabe engagieren!“).

Wagners Weihnachtsbriefe sind ein spannender Streifzug durch die Zeit des 19. Jahrhunderts und durch sein Leben. Interessanterweise spielen darin – völlig konträr zu heutigen Gepflogenheiten – das Weihnachtsfest oder der jeweils bevorstehende Jahreswechsel kaum eine Rolle. Es gibt da „keine Sentimentalitäten, kein Weihnachtsgebimsel und -Gebamsel“, so Frank Piontek. Er führt das auch darauf zurück, dass es lange keine Kinder in den Wagner-Haushalten gab. Vielmehr zeigt ihn seine oftmals überlange Festtagskorrespondenz als viel beschäftigten Komponisten und Unternehmer, der um die Aufführung seiner Werke schwer zu kämpfen hat, etwa zum Liebesverbot (1835) oder Rienzi (1843). Bis Cosima in sein Leben tritt und ihm Kinder schenkt, schreibt er zum Fest also reine Arbeitsbriefe an Verleger, Intendanten, Künstler. Nur gelegentlich kann man darin den fürsorglichen Familienmenschen erkennen, wie in den Briefen an seine ehemalige Haushälterin „Vreneli“ Stocker oder an ihren Sohn Wilhelm Richard Stocker. Erst in einem Brief an Ludwig II. von 1864 wird „Weinachten“ zum allerersten Mal überhaupt erwähnt.

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Projektstand Wagner Theater Riga 12/2024

Text: Māris Gailis, Richard Wagner Gesellschaft Riga
Fotos: Signe Viška

Keller-Silos mit Schwenk-Zement

Nach umfangreichen Vorarbeiten hat die nächste kritische Phase der Restaurierung des Wagner Theaters in Riga begonnen: die Verstärkung der Fundamente des Gebäudes. Im Juli dieses Jahres berichtete die Rigaer Richard-Wagner-Gesellschaft, dass beim Entfernen des Putzes festgestellt wurde, dass der strukturelle Zustand des Gebäudes schlechter war als zunächst angenommen. Es wurden eine Reihe von Lösungen entwickelt und umgesetzt, um die kritischsten Probleme anzugehen und die Gebäudestruktur zu verstärken.

Außenfassade Richard-Wagner-Straße

Mitte Oktober begann das polnische Unternehmen Keller mit den Arbeiten auf der Baustelle und installierte die ersten Fundamentverstärkungspfähle in einer Tiefe von 16 Metern. Die Fundamentverstärkung wird mithilfe einer Methode zur Tiefenstabilisierung durchgeführt, bei der der Boden mit einer Zementschlämme vermischt wird. Dies ist die schonendste Methode, da sie Vibrationen vermeidet und das Risiko von Bodensetzungen minimiert. Aufgrund der historischen Architektur und des schlammigen Bodens in der Nähe des Flussbetts des Rīdzene ist der Prozess jedoch zeitaufwändig und komplex. Die Arbeiten sind in zwei Phasen geplant: Zunächst werden die Fundamente im Gebäudeteil verstärkt, der näher an der Wagner-Straße liegt. Anschließend wird eine neue Tragschale für das Volumen des Opernsaals gegossen. Danach können auch die Fundamente des Opernsaalteils verstärkt werden.

Innenansichten der Baustelle

Zum kurzen Video über die aktuellen Arbeiten geht es > hier

Die Renovierung des Wagner Theaters verspricht erhebliche Vorteile. Sie verbessert nicht nur die Vielfalt und Zugänglichkeit kultureller Veranstaltungen für die Bevölkerung Lettlands, sondern stärkt auch den Ruf Rigas und Lettlands als kulturelles Zentrum mit Verbindungen zu Richard Wagner, der hier von 1837 bis 1839 als Kapellmeister amtierte. Im Rahmen des Projekts werden nicht nur das Gebäude und der Theatersaal restauriert, sondern auch Meisterkurse und ein Wagner-Museum eingerichtet. Das Wagner-Theater wird Wagners Vision vom „GesamtkunstWerk21“ verkörpern – einem Inkubator für alle Kunstformen, der zu einem internationalen Zentrum für junge Künstler werden soll, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.

Das Projekt mit Sitz in Rigas Riharda-Wagner-Straße 4 wird u.a. vom deutschen Außenministerium, der deutschen Botschaft in Riga, der Stadtverwaltung Riga, dem Baustoff- und Zementhersteller Schwenk sowie von Richard-Wagner-Verbänden in Deutschland sowie privaten Spendern unterstützt. 

Der RWV Frankfurt sieht sich diesem authentischen Wagner-Ort im Baltikum weiterhin auf besondere Weise verbunden und bittet um Spenden an:
Richard-Wagner-Verband Frankfurt
DE06 5005 0201 0000 4364 36 (Frankfurter Sparkasse)

Verwendungszweck: Wagner Theater Riga

Die Zuwendungen werden 1:1 zweckgebunden nach Riga weitergeleitet und sind steuerlich abzugsfähig.