Body Percussion, Romantik und ein Hauch von Wacken

Text: Hannelore Schmid

Am Anfang eines überaus bunten Konzerts der 10 diesjährigen Bayreuth-Stipendiaten im RWV Frankfurt stand ein Doppelwumms. Redjep Hajder, angehender Regisseur und E-Gitarrist, präsentierte seine lautstarke ode to a petrified disgrace of time. Unterstützt wurde er dabei von Gastmusiker Philemon Henze am E-Bass. Einen solchen provokanten Start à la Wacken hatte es in diesem Konzertformat der Frankfurter Wagner-Freunde bisher noch nicht gegeben und es sollte auch nicht der einzige Programmpunkt bleiben, der beim etwas anderen Fanclub eine etwas andere musikalische Ausdrucksweise erleben ließ.

Oben: Redjep Hajder, Yaiza Fenollar Baenas, Elisabeth Stoll (rechts) / Mitte: Ani Aghajanyan, Valentin Pfalzgraf, Eins Lee, Nadia Rihuete Turbay / Unten: Mufei Feng, Leonie Wiegel, Cláudia Ribas – Foto-Collage: Christoph Jenisch (unter Verwendung Portraitfoto C. Ribas © Barbara Aumüller) > zum Vergrößern bitte ins Bild klicken

Die Querflötistin Yaiza Fenollar Baenas überraschte nach dem erst kürzlich uraufgeführten Werk Mnemosyne (Prélude zu Der fünfte Fluss) für Flöte solo von Marlene A. Jacobs mit Tres Morillas. Das Traditional hat die Spanierin für Voice & Body Percussion arrangiert. Was man sich unter Body Percussion vorstellen muss? Der eigene Körper wird zum Schlagzeug. Die Künstlerin klatscht in die Hände, auf nackte Haut von Brust und Armen, schnalzt mit den Fingern und stampft mit den Füßen. Dazu singt sie das Lied ihrer Heimat auf betörende Weise. Wer zugesehen und zugehört hat, war von beiden Präsentationen beeindruckt.

Für eine weitere Premiere im Kleinen Saal des Dr. Hoch’s Konservatoriums sorgte Elisabeth Stoll. Erstmals erklang im Stipendiatenkonzert die dortige Orgel, auf der sie Clair de Lune aus der Suite Nr. 2 Pièces de Fantaisie von Louis Vierne spielte. Ihr folgte die jüngst ins Mezzosopranfach gewechselte Ani Aghajanyan. Die armenische Künstlerin konnte mit der Arie der Dalila Mon cœur s’ouvre à ta voix aus Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns die ganze Bandbreite ihrer stimmlichen Möglichkeiten darbieten und vollkommen überzeugen. Begleitet wurde sie am Klavier von Maria Conti Gallenti. Die Sängerin sammelte bereits in Gießen erste Bühnenerfahrungen und singt aktuell im Tannhäuser-Extrachor der Oper.

Der Pianist Valentin Pfalzgraf hatte sich aus Beethovens Es-Dur-Sonate Les Adieux den ersten Satz Adagio – Allegro ausgesucht, den er präzise und spannungsreich vortrug. Später beeindruckte er als Klavierbegleiter von Cláudia Ribas. Die Mezzosopranistin ist Mitglied im Opernstudio der Oper Frankfurt und findet dort derzeit mit der Cornelia in Händels Giulio Cesare ein begeistertes Publikum. Im Mai und Juni wird die Portugiesin an selber Stelle auch in Elektra von Strauss und Mozarts Zauberflöte zu erleben sein. Im Stipendiatenkonzert demonstrierte sie mit der Erda-Szene aus Das Rheingold den von ihrer Bühnenpräsenz, Stimmfarbe und Diktion begeisterten Wagner-Fans, wohin sie sich entwickeln möchte.

Überreichung der Stipendienbescheide durch RWV-Vorstände Rose Wießler und Dirk Jenders – Foto: Christoph Jenisch > zum Vergrößern bitte ins Bild klicken

Zuvor präsentierten der Bariton Eins Lee und seine Klavierbegleiterin Charlotte Hackert die Arie des Harlekin Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen aus Ariadne auf Naxos, gefolgt von Traum durch die Dämmerung aus Drei Lieder – beides von Richard Strauss. Mit Gerald Finzis Who is Silvia aus Let us Garlands Bring rundete der lyrisch-leichte Bariton aus Neuseeland, der ebenfalls Mitglied im Tannhäuser-Extra-Chor der Oper ist, seinen Vortrag ab. Nach ihm gewann Mufei Feng von der Paul-Hindemith-Orchesterakademie der Oper die Herzen des Publikums. Die Cellistin hatte die Suite Italienne von Igor Stravinsky zum Thema ihrer Bachelorarbeit gemacht, „weil darin Barock und Neue Musik zugleich vorkommen“. Mit hör- und sichtbarer Spielfreude bot sie die vielen Facetten der ersten drei Sätze aufs Beste dar. Ihr Klavierpartner war Lorenzo Mazzola.

Die Pianistin Leonie Wiegel hat ihr Bachelorkonzert noch vor sich. Sie erarbeitete sich dafür Sergej Rachmaninows Klaviersonate Nr. 2 und spielte daraus den 2. und 3. Satz. Alle Anwesenden im Saal konnten sich davon überzeugen, dass ihre Note sehr gut ausfallen wird. Die aktuell an der Musikhochschule Oslo eingeschriebene Studentin interpretierte die Sonaten-Fassung von 1931 virtuos und mit erstaunlicher musikalischen Reife. Und als die Violinistin Nadia Rihuete Turbay die Komposition Blue Curve of the Earth von Tina Davidson vortrug, wäre Hilary Hahn, der dieses Werk gewidmet ist, sehr angetan gewesen. Am Flügel wurde die erst 19-jährige Spanierin von Xi Zhai begleitet, der im absolut allerletzten Moment für eine erkrankte Kollegin eingesprungen war.

Die Mitwirkenden; darunter auch HfMDK-Deutschlandstipendiatin 2023/24 Melani Marijanac (Vierte v.l.) – Foto: Christoph Jenisch > zum Vergrößern bitte ins Bild klicken

Bei der Überreichung der Einladung nach Bayreuth an die Stipendiaten durch Rose Wießler und Dirk Jenders gab es edle weiße Rosen – auch für die musikalischen Begleiter und für Melani Marijanac. Die Sopranistin ist die zweite HfMDK-Deutschlandstipendiatin, die der RWV Frankfurt fördert. Dirk Jenders dankte den Verbandsmitgliedern bei dieser Gelegenheit für ihre großzügige Spendenbereitschaft, die diese in jeder Beziehung wertvolle Unterstützung so vieler junger Talente überhaupt erst möglich macht. Mit drei Liedern aus dem Liederkreis op. 39 von Robert Schumann ließen Melanie Marijanac und Eyal Urim am Flügel eine facettenreiche Musikreise durch Jahrhunderte und Genres romantisch ausklingen.

Im Rahmen des Bayreuth-Stipendiums vom 21. bis 26. August werden die 10 jungen Talente die Wagner-Opern Tannhäuser, Siegfried und Parsifal auf dem Grünen Hügel erleben. Zeitgleich mit ihnen werden weitere 200 Stipendiaten nach Bayreuth reisen, die von den weltweiten Wagner-Verbänden nominiert wurden. Im kommenden Sommer wird es also rund ums Festspielhaus wieder ebenso bunt und abwechslungsreich werden, wie im Konzert der Frankfurter Talente am 22. April.